Manifest

Planet First - Die Kunst der Reduktion

 

Berührungsangst mit Kunst? Warum nicht einmal das Wagnis eingehen und die Kunst in sein Leben lassen, sich von ihr und ihren subversiven Methoden inspirieren lassen, von jetzt auf hier zum kreativen Lebenskünstler mutieren, zum Gestalter seines eigenen autonomen Lebens, zum produktiven Spinner?

Hat Kunst als gesellschaftliches Korrektiv etwa ausgedient? War sie jemals ein solches?

Nun, offensichtlich fehlt es doch an einer definitiven Antwort auf die Frage, warum nicht endlich durchschlagend gehandelt wird, obwohl es an dem erbärmlichen Zustand unseres kränkelnden Planeten keinen Zweifel gibt. Unser Planet pfeift aus dem letzten Loch, das ist Fakt. Und ist es nicht genau dieser Planet, der es verdient hätte, in einen lebensförderlichen ökologischen Organismus verwandelt, umgestaltet zu werden? Denn er ist der einzige Ort im Universum, der für unser Zuhause in Frage kommt.

Was hält uns in Wirklichkeit von der tatkräftigen Umsetzung all der bereits seit langem auf dem Tisch liegenden Alternativen des Handelns ab? … Die Finanzelite? Ernsthaft? Die Fassadendemokratie? Ernsthaft? Unsere deautonomisierende Erziehung, unser doktrinäres Schulsystem? Unsere manipulative Medienlandschaft? Der böse Neoliberalismus? Es sind also immer die Anderen? Das System? Ja, das System ist falsch, also kann kein richtiges Leben in und aus ihm entstehen!?

Wir warten also. Wir warten und demonstrieren, damit wir warten können. Früher waren es Mistgabeln, jetzt sind es gelbe Westen. Selbst wenn jeder von uns in den goldenen Industrienationen mit gelben Westen durch die Straßen zöge, würde nichts passieren. Klar, es würden mal wieder Augen herausgeschossen, Gelenke zertrümmert, Gesichter zermatscht werden. Vielleicht würden einige Gesetze verschärft werden. Und dann? Am nächsten Tag ginge, wer noch kann, schön brav in die Schule, zur Arbeit, in den Supermarkt etc. Dann hängen wir wieder am Tropf. Das Hamsterrad dreht sich einfach weiter. Die Konzerne beliefern uns und wir lassen uns beliefern. Die Macht der Gewohnheit schlägt zu. Die Vasallen eines Systems auf unaufhaltsamem Selbstzerstörungskurs, das sind wir. Wir Weltmeister des Kritisierens und Palaverns.

Also, was fehlt uns? Uns Gewohnheitstieren, uns Alltagsmenschen fehlt die disziplinierte Hemmungslosigkeit eines Künstlers. Ein Künstler ist ein Kritiker, Zerstörer und Neugestalter in einem. Er benötigt vor allem keinen parlamentarischen Repräsentanten. “Dieu est en nous”, wusste schon Eugène Delacroix. Aus ihm spricht nichts Geringeres als ein zu exekutierendes produktives Lebensgestaltungskonzept der Aufklärung. Gott ist in uns. Aber nicht, um sich die Welt untertan zu machen, sondern um sich der Natur unterzuordnen. Sapere aude, nutze Deinen Verstand. Ja! Der Planet zuerst, dann erst kommt der Mensch. Planet first! Nutze Deinen Verstand im Dienste einer prosperierenden Natur! Planet first! Das sagt Dir der Künstler in Dir. Das sagt Dir Deine metabolisierende Natur in Dir. Planet first! Gestalte Dein Leben so, dass die Natur den maximalen Profit daraus schlagen kann. Maximale Profitmaximierung. Darin sind wir doch alle so gut, wir Leistungsfaschisten. Unendliches Wachstum? Warum nicht? Kein Problem! Lasst sie wachsen: Eure Einsichten in den großen Zusammenhang. Vor allem die Natur. Lasst sie wachsen. Sie braucht wie wir eine Atempause. Diesen langen langen Atem brauchen wir. Und zwar jetzt! Einige Generationen müssten es schon sein.

Etwa wegen des Klimawandels? Nein! Sondern weil die Verpflichtung zum künstlerischen Experiment es uns gebietet! Als zur Autonomie und Mündigkeit verurteilte Erdenbürger hat jeder Einzelne von uns die Verantwortung zum freien Spiel seiner geistigen und körperlichen Kräfte - im Dienste der Gesundung der Natur.

Der Klimawandel selbst ist nur ein Symptom unserer Unmündigkeit. Genauso wie unsere Flugreisen und Autofahrten es sind, aber auch unsere vielzähligen Klicks auf unserem Handy und unseren Rechnern. Nicht minder unsere Unfähigkeit, unsere Dinge zu reparieren, zu pflegen. Wir haben keinen natürlichen Bezug mehr zu uns selbst, zu unseren Mitmenschen und zu unseren Dingen.

Unmündigkeit und Naturverlorenheit gehen Hand in Hand. Jemand ist mündig, der einen ästhetischen Bezug zur inneren und äußeren Natur hat. Wir haben selbstverantwortlich diese Naturverlorenheit zugelassen. Die Anderen sind gar nicht schuld. Sie sind es zwar, die uns die falschen Freunde des Konsums auf den Hals hetzen wollen. Wir sind es aber, die dabei mitmachen und es sich sogar gerne gefallen lassen.

Jeder von uns ist mit dem Potential zur Autonomie ausgestattet. Gleichgültig in welcher misslichen Situation man gerade steckt. Ein Künstler ist an vorderster Front, wenn es darum geht, das bittersüße Spiel der Autonomie zu spielen. Glücklich ist derjenige, der Zeit und Muße hat, dieses Spiel zu kultivieren. Nicht unmöglich für denjenigen, der im Hamsterrad strampelt, aber deutlich schwieriger. Aber wie gesagt nicht unmöglich. Das Ziel: Das Hamsterrad zum Stillstand bringen. Durch mündige, autonome Entscheidungen.

Künstlerische Entscheidungen sind unpraktische Entscheidungen, der Sache, also der Natur des Lebens verpflichtet. Unpraktische Entscheidungen sind der Natur dienliche Entscheidungen.

Und jetzt? Eine Radikalkur von heute auf morgen? Sicher nicht! Ein Kunstwerk muss wachsen. Unsere Handlungen müssen sich zu einem ökologischen Kunstwerk verdichten. Es müssen erlesene Handlungen sein. Sie folgen der Maxime der Kunst der Reduktion.

Die Kunst der Reduktion ist das lebenskünstlerische Programm eines mündigen Erdenbürgers, der sich von den kontrolliert hemmungslosen Methoden des subversiven Abweichens inspirieren, beseelen lässt.

Die Kunst der Reduktion generiert eine besondere Dialektik, eine Einheit von Widersprüchen, die nicht miteinander vereinbar scheinen, die aber in ihrem widersprüchlichen Verschmolzensein miteinander höchst produktiv und heilsam sind.

Reduktion ist ein Markenzeichen künstlerischer Gestaltung. Künstlerische Gestaltung ist Reduktion auf das Wesentliche mit dem Resultat maximaler Wirkung und Beeindruckung. Reduktive Lebensgestaltung bedeutet Abschichtung von allem Unnötigen im Dienste eines lebensförderlichen klangvollen ökologischen Organismus. Die widersprüchliche Einheit besteht hier aus Prosperität der Natur durch Reduktion.

Kunst hat die Aufgabe, den Menschen in Einklang zur Natur zu bringen. Bislang wurde geglaubt, dass das Komponieren von Bildern und Musik als gesellschaftliches Korrektiv ausreichend wäre. Das jedoch war ein Irrglaube. Kunst kommt erst dann zu sich selbst, wenn der Mensch durch Kunst zu sich selbst kommt. Indem jeder Mensch selbst zum Künstler wird, um die Welt in einen ökologischen Organismus zu verwandeln.

In unserer Zeit bekommt das reduktive Nichts eine enorme gestalterische Kraft. Ich fördere Gesundheit und Wachstum der Natur, also unser aller Lebensgrundlage dadurch, dass ich “es” nicht tue, also dass ich kein Auto, kein Handy kaufe, keinen Kühlschrank, keinen Herd, keinen Strom, keinen Urlaub, kein Fleisch, keine Konsumgüter. Denn es gibt zu alledem natürliche Alternativen.

Nur durch diese basisdemokratischen, mündigen reduktiven Handlungen jedes Einzelnen sind wir gemeinsam in der Lage, das umweltzerstörende Finanzkapital ausbluten zu lassen. Es bringt nichts, auf Demonstrationen gegen z.B. Kohle in die Luft zu springen, wenn nicht gleichzeitig der Kauf bzw. Inanspruchnahme durch z.B. Kohle vermittelter Konsumgüter und Services aktiv verweigert wird. Vor allem bringt es nichts, darauf zu warten, bis irgendeine politische Partei ein Planet-first-Programm aufsetzt, solange es keine basisdemokratische kritische Masse gibt, die die spirituelle Wende vorlebt.

Was ist von dem Argument zu halten, es sei zynisch, wenn die führenden Industrienationen ein weltweites Abspecken verlangen, ohne auf die industriellen Nachholbedürfnisse von Entwicklungs- und Schwellenländern Rücksicht zu nehmen, die jetzt endlich auch durch die billige Kohleverstromung ihren wirtschaftlichen Wohlstand ankurbeln wollen?

Die Entgegnung: Wirtschaftlichen Wohlstand einzufordern ist kein künstlerischer Gedanke. Denn er ist, zumindest im jetzigen Gewand des Finanzkapitalismus, immer mit einer radikalen und rücksichtslosen Ausbeutung der Natur verbunden und zwangsläufig kriegstreiberisch. Insofern gilt es, die spirituelle Vergiftung, die uns von der Natur immer weiter entfernt hat, als solche zu entlarven und die Fähigkeit zur Mündigkeit vorzuleben, indem sie sich durch künstlerisch-gestaltende Taten bzw. reduktive Nicht-Taten realisiert.

Dieses Manifest ist nicht “sexy”, zumindest nicht in den üblichen Kategorien. Sein Leben endlich in die eigene Hand zu nehmen ist es aber allemal. Es ist im Übrigen das glatte Gegenteil einer heute grassierenden Bequemokratie, die so ziemlich alle menschlichen Fähigkeiten abtrainiert, die für ein autonomes Leben in Einklang mit der Natur nötig wären.

Dieses Projekt ist kein Hirngespinst, sondern umgehend realisierbar. Es geht nicht darum, mehr Demokratie zu wagen, sondern radikaldemokratisch zu agieren. Jede einzelne Handlung der Lebenspraxis formt unsere Gesellschaft, bestätigt sie oder vermag sie zu einem ökologischen Organismus zu transformieren. In jeder Sekunde unseres Lebens entscheidet es sich, in welche Richtung unsere Welt gehen soll. Wie ein Künstler, der vor der weißen Leinwand steht, hat jeder von uns die Möglichkeit, sich in Zukunft anders zu entscheiden.

Um gemeinsam diesen Weg gehen zu können, haben wir den Fachbereich “Planet first - Die Kunst der Reduktion” ins Leben gerufen.

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Wolfgang Becker